Ich bin in der Vergangenheit bis auf die Federbasis am Federbein immer mit dem Originalfahrwerk in der Werkseinstellung gefahren und habe nun in den letzten Wochen mal angefangen ein bisschen mit den Einstellungen der Zugstufe rumzuspielen. Im Folgenden möchte ich meine Erfahrungen und Eindrücke mit den von mir seither vorgenommenen Einstellungen am Originalfahrwerk schildern.
Gewicht Fahrer: 110 kg
Reifendruck vorne/hinten: 2,5 bar/2,7 bar (Conti Road Attack 3)
Mit der Serienbereifung, dem Bridgestone S20, bin ich eigentlich recht zügig vom vorgeschriebenen Reifendruck von 2,5 bar/2,9 bar auf 2,4 bar/2,6 bar gewechselt, da sich dadurch der Dämpfungskomfort verbessert und das Motorrad in Schräglage auch weniger nervös agiert hat. Zudem hatte ich ein deutlich besseres Gefühl für das Hinterrad beim Herausbeschleunigen aus Kurven. Beim Conti Road Attack 3 hat sich diese Einstellung aber als problematisch herausgestellt. Bei einer etwas zügigeren Fahrweise wollte sich das Motorrad ab einer gewissen Schräglage einfach nicht weiter in die Kurve drücken/legen lassen. Interessanterweise hat sich dieses Verhalten auch nicht mit warmgefahrenen Reifen geändert. Bin dann an die nächste Tanke gefahren, der Reifendruck lag da bei 2,8 bar/3,2 bar, und habe vorne und hinten jeweils 0,1 bar aufgefüllt. Anschließend war das Problem behoben und das Fahrverhalten wieder wie gewohnt. Seither bin ich mit dem CRA3 immer einen Reifendruck von 2,5 bar/2,7 bar gefahren.
Federbasis Gabel: WE* (16 mm)
Da die Werkseinstellung bei mir gefühlt zu passen scheint, habe ich die Negativ-Federwege bisher noch nicht nachgemessen. Lediglich das Einfedern der Gabel bei einer Vollbremsung habe ich mal geprüft. Bei einer Vollbremsung verschwindet bei mir das verchromte Innenrohr bis auf 14 mm komplett in der Gabel. Ob die Feder dabei schon auf Block gegangen ist kann ich schwer sagen. Gefühlt würde ich sagen nein, möchte aber auch nicht ausschließen, dass ich es evtl. auch einfach nur aufgrund der ebenen Fahrbahn nicht gemerkt habe. Also falls hier noch etwas Luft sein sollte, dann wird es wohl nicht mehr viel sein.
Hat hier jemand evtl. schon Erfahrung und kann sagen, wie weit die Originalgabel einfedern kann bis sie auf Block geht?
Federbasis Federbein: Stufe 3
Das Federbein kam mir von Anfang an etwas zu straff und holprig vor. Habe mir daher recht zeitig neben der Anpassung des Reifendrucks auch mal die Mühe gemacht und die Negativfederwege unter der Werkseinstellung in Stufe 4 ausgemessen. -> N1 (ohne Fahrer) = -0,5 mm; N2 (mit Fahrer) = -32 mm. Das entspricht nach meinen Recherchen gerade so den von Fahrwerksspezialisten empfohlenen Mindestwerten (N1min = -0,5 mm; N2min = -30 mm) für Straßenmotorräder und ist wohl eher ein Setup für die Rennstrecke. Ich bin dann auf Stufe 3 gewechselt, was für mich auch bei schlechten Fahrbahnbedingungen ganz gut passt. Leichtere Fahrer sollten aber definitiv die Federbasis prüfen und anpassen, da diese sehr wahrscheinlich in der Werkseinstellung viel zu hoch eingestellt ist. Keine Ahnung, was sich Yamaha dabei gedacht hat.
Zugstufeneinstellungen:
Die im Folgenden aufgeführten Änderungen der Zugstufe beziehen sich immer auf die Werkseinstellung. Die Einstellungen wurden auf meiner Hausstrecke mit schnellen und langsamen Kurven sowie Wechselkurven getestet bei mittleren bis sehr guten Fahrbahnbelag. Der gefahrene Reifen war ein Conti Road Attack 3 (2,5 bar/2,7 bar).
Gabel: +2 Klicks in a; Federbein: WE
Gabel wirkt straffer; Vorderrad lenkt präziser ein; Motorrad wirkt deutlich stabiler in schnellen Kurven (gefühlt wie auf Schienen) trotz holprigen Gefühl an der Gabel bei Bodenunebenheiten; Zunahme Aufstellmoment beim Bremsen in Schräglage. --> Aufgrund der tollen Kurvenstabilität evtl. eine Einstellung für die Rennstrecke. Für mich persönlich für die Landstraße mit teilweise auch mal schlechteren Straßen aber dann doch zu holprig.
Gabel: +1 Klick in a; Federbein: WE
Tendenzen wie bei vorangegangener Einstellung mit +2 Klicks in a aber gefühlt nur 1/3 so stark ausgeprägt. Das holprige Gefühl bei Bodenunebenheiten in Schräglage war nicht mehr zu spüren. --> Für mich eine gute Einstellung zum zügigen Kurvenräubern auf der Landstraße.
Gabel: +1 Klick in a; Federbein: 1/2 Umdrehung in b
Federbein wirkt richtig komfortabel; Motorrad wirkt träger beim Einlenken und besonders in Wechselkurven, aber auch stabiler (weniger nervös) in Schräglage; besseres Gefühl für das Hinterrad beim Herausbeschleunigen aus Kurven. Bei vielen Unebenheiten in der Kurve ist ein Aufschaukeln/Unruhe im Heck spürbar. --> Letzteres empfand ich zwar noch händelbar, vermute aber, dass es bei etwas schlechterem Straßenbelag richtig unangenehm werden kann.
Gabel: +1 Klick in a; Federbein: 1/4 Umdrehung in b
Tendenzen wie bei vorangegangener Einstellung nur weniger ausgeprägt. Kein Aufschaukeln vom Heck mehr festgestellt. --> Für mich ist diese Einstellung der Favorit für zügiges Landstraßenfahren, da sie ein guter Kompromiss aus Komfort, deutlich verbesserter Kurvenstabilität und einem guten Gefühl fürs Hinterrad ergibt ohne dabei zu sehr an Agilität in Wechselkurven oder beim nachträglichen Korrigieren der Kurvenlinie zu verlieren.
Im Nachhinein muss ich sagen, dass ich es am Anfang nicht für möglich gehalten habe, dass 1 bis 2 Klicks an der Zugstufe in die eine oder andere Richtung, teilweise so einen großen Einfluss auf das Fahrverhalten haben können. Allein die Zugstufe an der Gabel etwas hochzusetzen, hat bei mir z.B. nicht nur gefühlt für ein präziseres Einlenkverhalten und mehr Stabilität in Schräglage gesorgt, sondern auf Anhieb auch gleich mal einen gut 10 % höheren Kurvenspeed in schnellen Kurven ermöglicht und das ohne dabei auch nur annähernd ein ungutes Gefühl aufkam. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es jetzt aber auch, denn nun habe ich das Gefühl, dass das Ansprechverhalten der Gabel nicht so gut und ruhig etwas besser sein könnte.
Trotzdem kann ich jedem nur empfehlen, sich wirklich auch mal die Mühe zu machen und das Fahrwerk auf sein eigenes Gewicht und seine individuellen Vorlieben einzustellen. Der Eine oder Andere wird sicherlich überrascht sein, was bereits alles mit dem Originalfahrwerk möglich ist.
Ich habe mir diese Woche nun den Pirelli Angel GT II aufziehen lassen. Erster Eindruck ist, dass meine Fahrwerkseinstellungen jetzt nicht mehr ganz so gut zu den etwas veränderten Fahrverhalten des Pirelli passen. Bin aber zuversichtlich, dass ich auch hier noch ein entsprechendes Setup finden werde. Bei Gelegenheit werde ich es dann mal hier posten.
Weiß jemand zufällig, welche Federraten die Originalfedern in der Gabel und im Federbein haben?
*WE = Werkseinstellung